Die Auslandsverlagerung bewegt sich in Mehrwertsteuergewässern
Mit Urteil Nr. 23842/2025 hat das Kassationsgericht die Auslandsverlagerung auf innovative Weise behandelt, in dem es diese vom Bereich der Direktsteuern auf den der Mehrwertsteuer verlagert. Es ging um die Prüfung eines Unternehmens nach portugiesischem Recht, mit formalen Sitz auf Madeira.
Die italienischen Finanzverwaltung hielt dies jedoch für eine rein künstliche Konstruktion („wholly artificial arrangement“), da der tatsächliche Sitz der Geschäftsleitung und Verwaltung in Brindisi liege.
Hiermit konnte der Obersten Gerichtshof den Begriff „tatsächlicher Sitz” im Lichte des Unionsrechts und des Grundsatzes der wirtschaftlichen Wirksamkeit neu definieren und dabei die auf der bloßen formalen Ansiedlung beruhenden Missbrauchsvermutungen überwinden.
Das Urteil verdeutlicht, dass auch für Mehrwertsteuerzwecke der Wohnsitz oder die territoriale Stabilität nicht vermutet werden können, sondern sich aus einer konkreten Überprüfung der Verwaltungs- und Produktionstätigkeit ergeben müssen. Daraus ergibt sich ein Modell der „ausländischen Umsatzsteuerverlagerung”, das auf einer substantiellen und objektiven Bewertung basiert und mit der Niederlassungsfreiheit, gemäß den Artikeln 49 und 54 AEUV, im Einklang steht.
Die Entscheidung markiert somit eine systematische Entwicklung, die die wirtschaftliche Effektivität in den Mittelpunkt der europäischen Steuerauslegung stellt.
***
Dieser Beitrag wurde für die Newsletter "Recht & Steuern" der Deutsch-Italienischen Handelskammer AHK Italien vom Oktober 2025 von unserem Internationalen Steuerrechtsteam verfasst.
Der Beitrag ist hier verfügbar.